Interview Nikolai Setzer und Christian Kötz
Der Aufsichtsrat der Continental AG hat in seiner heutigen Sitzung Christian Kötz mit Wirkung zum 1. Januar 2026 zum neuen Vorsitzenden des Vorstands berufen. Nikolai Setzer scheidet zum 31. Dezember 2025 einvernehmlich aus dem Vorstand aus. In einem gemeinsamen Interview erläutern beide, warum genau jetzt der richtige Zeitpunkt für den Wechsel an der Unternehmensspitze ist, und wie die Staffelübergabe erfolgt. Nikolai Setzer blickt auf seine fast drei Jahrzehnte umfassende Zeit bei Continental zurück und Christian Kötz gibt einen Ausblick auf seine strategischen Prioritäten. Das Interview führte Vincent Charles, Leiter der Unternehmenskommunikation von Continental.
1. Es war bekannt, dass es einen CEO-Wechsel geben wird. Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt für die Staffelübergabe?
Nikolai Setzer: Ich hatte ja bereits seit einiger Zeit angekündigt, dass ich die Verantwortung weitergeben werde, sobald unsere Transformation zu einem reinen Reifenhersteller ausreichend fortgeschritten ist. Genau das ist nun der Fall. Aumovio haben wir erfolgreich abgespalten, der Kaufabschluss von OESL steht kurz bevor, die internen Vorbereitungen für den Verkauf von ContiTech sind abgeschlossen und die Marktansprache ist erfolgt. Der strukturierte Verkaufsprozess startet gleich im neuen Jahr. Die Neuaufstellung von Continental ist damit auf einem sehr guten Weg und meine Mission erfüllt. Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt für Christian, als CEO zu übernehmen.
2. Wäre zum Verkauf von ContiTech nicht der bessere Zeitpunkt für den Wechsel gewesen?
Christian Kötz: Natürlich sind in so einem komplexen Prozess wie unserer Transformation verschiedene Zeitpunkte denkbar, die sich für eine Übergabe eignen. Für uns war klar, dass diese wie bei einem Staffellauf nur im vollen Tempo erfolgen kann. Niko hat alle Weichen für die Neuaufstellung gestellt. Parallel zum Verkauf von ContiTech können wir nun in die Phase eintreten, in der wir die letzten Vorbereitungen für unsere Zukunft als reiner Reifenhersteller treffen.
3. Was war Ihr größter Erfolg in Ihrer Zeit als CEO – und was die größte Herausforderung?
Nikolai Setzer: Es gibt nicht den einen, größten Erfolg oder die eine, größte Herausforderung. Es sind auch keine Einzelleistungen von mir. Wenn, waren wir immer erfolgreich als Team, das ich lange Zeit führen durfte. Nach einem sehr erfolgreichen Jahrzehnt ab 2009 waren sicherlich die veränderten Marktbedingungen, die Pandemie und die Chipkrise extreme Belastungen für uns alle. Aber gerade in diesen Zeiten habe ich stets eine besondere Verbundenheit bei unserer Continental gespürt. Das, was jetzt sicherlich viele mit meiner Zeit als CEO verbinden werden, ist die tiefgreifendste Neuaufstellung von Continental in ihrer Unternehmensgeschichte. Wir haben mit den zuletzt drei Unternehmensbereichen drei starke, eigenständige Champions geschaffen. Mit OESL kommt ein weiterer Champion hinzu. Darauf können wir alle sehr stolz sein.
4. Welche Entscheidung würden Sie heute genauso treffen – und welche anders?
Nikolai Setzer: Im Rückblick bewertet man Entscheidungen der Vergangenheit natürlich immer mit dem Wissen von heute. Einiges ist doch anders gelaufen, als wir uns das gedacht hatten. Keiner kann die Zukunft vorhersehen. Entscheidungen können immer nur auf der bestmöglichen verfügbaren Faktenbasis getroffen werden – „facts are friendly“. Das war immer der Anspruch an alle unsere Entscheidungen, und wenn es dann anders kam, haben wir schnellstmöglich gegengesteuert.
5. Was macht Sie besonders stolz, wenn Sie auf Ihre Zeit bei Continental zurückblicken?
Nikolai Setzer: Mich macht sehr stolz, dass ich über 28 Jahre ein Teil von Continental war und in dieser Zeit mit so vielen besonderen Menschen zusammenarbeiten durfte, um einen Beitrag zu leisten, Wert zu schaffen und das Unternehmen nachhaltig erfolgreich aufzustellen – zuerst und lange bei Reifen, dann bei Automotive und anschließend über die gesamte Gruppe hinweg als CEO. Für das mir entgegengebrachte Vertrauen bin ich zutiefst dankbar.
6. Viel Zeit für eine Übergabe bleibt jetzt nicht mehr.
Christian Kötz: Um im Bild des Staffellaufs zu bleiben: Die Vorbereitung erfolgt lange vor dem Rennen. Und genau das haben wir getan.
7. Welchen Rat geben Sie Christian Kötz für die ersten 100 Tage?
Nikolai Setzer: (lacht) Meine Ratschläge kennt Christian schon lange auswendig. In dieser neuen Situation für das Unternehmen wird er nun mit seiner großen Erfahrung und seinem Team die bestmöglichen Entscheidungen treffen – so, wie er das bereits über viele Jahre bewiesen hat. Und das werden zahlreiche in der nächsten Zeit sein. Christian kennt das Reifengeschäft aus so vielen Blickwinkeln wie kaum ein anderer in der Branche. Deshalb bin ich überzeugt, dass er ein ausgezeichneter CEO von Continental sein wird.
8. Was sind die größten Herausforderungen für das Unternehmen in den kommenden Jahren?
Christian Kötz: Der Reifenbereich von Continental ist sehr resilient und profitabel. Wir sind gut aufgestellt durch die ab 2026 greifende Fokussierung von fünf auf drei Geschäftsbereiche – die Regionen EMEA, Americas und APAC – sowie die globale Steuerung des Erstausrüstungsgeschäfts und der Produktsegmente für Spezialreifen. So können wir das Zusammenspiel zwischen regionaler und globaler Steuerung zukünftig noch besser meistern. All das wird uns auch als eigenständiges Unternehmen auszeichnen und den nötigen Rückenwind verleihen, um uns in einem anspruchsvollen Wettbewerbsumfeld auch zukünftig erfolgreich zu behaupten. Mit unserem hohen Anteil im Reifenersatzgeschäft haben externe Faktoren wie die konjunkturelle Entwicklung weniger Einfluss als bei klassischen Automobilzulieferern. Denn die sind stark von Automobilherstellern und damit dem Neuwagengeschäft abhängig. In der Reifenindustrie liegen die Herausforderungen stärker im sich verändernden Wettbewerbsumfeld. Neue Reifenhersteller aus Asien drängen beispielsweise mit Billigexporten nach Europa und Nordamerika. Mit unseren Premiumreifen haben wir hier einen klaren Technologie- und Markenvorsprung. Diesen müssen wir weiter ausbauen und gleichzeitig kontinuierlich an einer wettbewerbsfähigen Kostenstruktur arbeiten. Zudem wachsen die Reifenmärkte weltweit nur sehr moderat; daher ist es umso wichtiger – neben den notwendigen kontinuierlichen Effizienzverbesserungen – die existierenden profitablen Wachstumspotenziale auch konsequent zu nutzen und zu realisieren.
9. Welche strategischen Prioritäten werden Sie setzen – und wie unterscheiden sie sich von den bisherigen?
Christian Kötz: Zunächst einmal ist es ein großer Unterschied, ob man einen Unternehmensbereich in einem Konglomerat führt oder ein eigenständiges börsennotiertes Unternehmen. Das ist für uns im Reifenbereich definitiv eine Veränderung und auch für Continental ein historischer Schritt. Wir müssen lernen, selbstständig zu agieren, und sind dabei auf die Erfahrung und das Wissen der Kolleginnen und Kollegen in den Konzernfunktionen angewiesen. Nach Abschluss des ContiTech-Verkaufs führen wir die Reifen- und Konzernfunktionen zusammen – zu einem schlagkräftigen Team. Eine meiner Prioritäten liegt also darauf, sicherzustellen, dass wir uns bestmöglich auf unsere Eigenständigkeit vorbereiten. Klar ist aber auch: Der Markt und unser Wettbewerb warten nicht auf uns. Wir werden also weiter hart arbeiten an unserer Wettbewerbsfähigkeit in den Bereichen Technologie, Produktivität und Kosten. Das wird uns nur dann gelingen, wenn wir unsere Unternehmenskultur bewahren. Hier geht es im Kern um Verbundenheit und Wertschätzung bei gleichzeitiger Höchstleistung.
10. Was zeichnet Sie als Führungskraft aus?
Christian Kötz: Begeisterung für die Zusammenarbeit mit und Nahbarkeit zu unseren Beschäftigten und Kunden, Leidenschaft für Reifen und ihre stetige Verbesserung in den Bereichen Entwicklung und Produktion – und Freude daran, Spitzenleistungen zu erzielen. Vor allem aber: Respekt vor der Aufgabe und Demut vor der Verantwortung, die ich trage.
11. Was werden Sie nach dem Ausscheiden vermissen – und worauf freuen Sie sich? Und was kommt als Nächstes?
Nikolai Setzer: Wer mich kennt, weiß, dass ich bis zum allerletzten Tag in meinem Amt mit Herz und Seele für Continental arbeiten werde. Was danach kommt, das wird sich zeigen. Darüber habe ich mir ehrlich gesagt nie Gedanken gemacht. Vermissen werde ich natürlich die vielen Kolleginnen und Kollegen bei Continental auf der ganzen Welt und die besondere Kultur, die Continental auszeichnet und die ich ab Tag eins erlebt habe. Worauf ich mich freue? Klar, mehr Zeit für meine Familie, ein morgendlicher Start ohne dringende Entscheidungen, in Ruhe musizieren und natürlich Sport. Wer mich kennt, weiß aber auch, dass mein unternehmerisches Wirken ein sehr wichtiger Teil meines Lebens war und ist. Und das wird auch so bleiben. In meinem Umfeld muss also niemand zu viel Freizeit mit mir befürchten (lacht).
12. Wird es künftig weiterhin eine Vorstandsstaffel zum Hannover-Marathon geben?
Nikolai Setzer: Das steht doch sicherlich außer Frage. Ich werde das persönlich auf der Strecke überprüfen. Jetzt kann ich mich endlich einmal richtig vorbereiten und stehe dem Vorstand gerne als sportlicher Berater zur Verfügung.
Christian Kötz: Der Hannover-Marathon ist für uns jedes Jahr ein Highlight: Er zeigt, wie viel Begeisterung und Teamgeist in unserem Unternehmen stecken. Ich bin mir sehr sicher, auch 2026 sind wir mit einer Vorstandsstaffel dabei. Ob wir an die Bestzeiten der Vorjahre anknüpfen können? Das müssen wir uns noch mal genau anschauen (lacht).








