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      „An der Umrüstung zum intelligenten Tachographen der zweiten Version führt kein Weg vorbei“

      Der neue intelligente Tachograph der zweiten Version ist seit August 2023 auf dem Markt –und seither brodelt die Gerüchteküche in der europäischen Transportlogistik. Denn obwohl ein großer Teil der Bestandsflotte bis Ende des Jahres auf die neuen Geräte umrüsten muss, halten sich die Flottenbetreiber noch sehr zurück. Im Interview erklären die Continental-Experten Matthias Kliché, Leiter Legal Requirements, und Michael Gut, Program Manager Tachograph Workshop-Services, woher die Gerüchte kommen – und was wirklich Fakt ist.

      Aktuell wird in der Branche über mögliche Verschiebungen der Deadline für die Umrüstung auf die neue Version des intelligenten Tachographen spekuliert. Was ist dran an den Gerüchten?

      Michael Gut: Nichts, das sind wirklich nur Gerüchte. Leider ist das scheinbar noch nicht überall bei den Flotten angekommen.

      Matthias Kliché: Das Gerücht, dass die Bestandsfahrzeuge, die noch mit einem analogen oder digitalen Fahrtenschreiber der ersten Version ausgestattet sind und im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt werden, nicht bis zum 31.12.2024 auf den neuen Fahrtenschreiber umrüsten müssen, ist tatsächlich falsch. Seinen Ursprung hat es in diversen nationalen Ausnahme- und Übergangsregelungen, welche die nationalen Gesetzgeber für den Fall vorgesehen haben, dass nicht rechtzeitig genügend Fahrtenschreiber zur Verfügung stehen.

      Michael Gut: Das stimmt aber nicht. Die Hersteller, und speziell wir bei Continental, sind lieferfähig und können das Werkstättennetzwerk mit ausreichend Geräten für die Nachrüstung versorgen.

      Und was ist mit den vielen nationalen Ausnahmeregelungen?

      Matthias Kliché: Die EU-Kommission hat Anfang März in einer Mitteilung an die Mitgliedstaaten und die europäischen Verbände erneut bekräftigt, dass es keine Verschiebung der im EU-Mobilitätspaket I vorgeschriebenen Nachrüstungspflicht geben wird. Die rechtliche Situation ist also eindeutig. An der Umrüstung zum intelligenten Tachographen der zweiten Version führt kein Weg vorbei.

      Wenn die rechtliche Lage so eindeutig ist, woher kommen dann solche Gerüchte?

      Michael Gut: Das hat sicher auch etwas mit den durch die Corona-Pandemie entstandenen Engpässen auf dem Chip- und Halbleitermarkt zu tun. Dadurch war die Liefersituation im letzten Jahr auch bei den neuen Tachographen noch angespannt.

      Matthias Kliché: Zur Verwirrung trägt auch bei, dass die aktuelle Version des intelligenten Tachographen zur Markteinführung leider nicht alle vorgesehenen Funktionen aktiv umsetzen konnte. Noch fehlt die volle Unterstützung des abgesicherten Galileo-Signals OSNMA (Open Service for Navigation Message Authentication), mit dem zum Beispiel Grenzübertritte authentifiziert festgestellt werden können. Bis das kommt, gilt der DTCO 4.1 als „Übergangsfahrtenschreiber“.

      Sollten Flotten also auf die nächsten Geräteversionen warten?

      Michael Gut: Nein. Der DTCO 4.1 in seiner aktuellen Variante ist voll einsetzbar und gesetzeskonform. Wenn das authentifizierte OSNMA-Signal verfügbar ist, werden wir ein Update anbieten, das dann bei der nächsten regulären Tachographenprüfung aufgespielt wird.

      Matthias Kliché: Auf einen möglichen DTCO 4.1a oder b zu warten, wäre mehr als riskant. Denn das Gesetz kennt hier keine Kulanz. Wer der Pflicht zum Einbau des neuen Tachographen nicht rechtzeitig nachkommt, muss in Deutschland zum Beispiel mit einem Bußgeld von 1.500 Euro rechnen, wenn bei einer Kontrolle festgestellt wird, dass ein Lkw mit einem veralteten Fahrtenschreiber unterwegs ist.

      Wie viele Fahrzeuge sind denn heute schon nachgerüstet?

      Michael Gut: Aktuell haben nach unseren Schätzungen erst etwa sieben Prozent der Nutzfahrzeuge, für die Frist Ende 2024 gilt, auf den intelligenten Tachographen der zweiten Version umgerüstet.

      Was raten Sie Flotten also für die praktische Umsetzung?

      Matthias Kliché: Die Flotten müssen sich schon jetzt mit diesen Themen befassen, sonst laufen sie Gefahr, die Fristen und Regularien nicht einzuhalten. Das beginnt schon damit, sich klar darüber zu werden, welche Fristen für jedes Fahrzeug gelten.

      Michael Gut: Auf unserem zentralen Informationsportal myVDO bekommt man mit dem DTCO Retrofit Check in wenigen Klicks Klarheit über die für die eigene Flotte geltenden Deadlines. 

      Matthias Kliché: Wenn klar ist, dass ein Fahrzeug bis Ende des Jahres den intelligenten Tachographen der zweiten Version an Bord haben müssen, sollte man sich schnell um einen Nachrüsttermin kümmern. Denn zum Jahresende hin werden die Werkstattkapazitäten immer knapper. Besonders effizient – und dazu rät auch die EU-Kommission – wird die Nachrüstung, wenn man sie mit der ohnehin geplanten, verpflichtenden Tachographenprüfung nach §57b StVZO zusammenlegt. So spart man sich einen zusätzlichen Besuch in der Werkstatt und vermeidet damit teure Standzeiten.